Der kleine Schornsteinfeger
(Berlin 1934) / The Little Chimney Sweep (London 1953)
Regie und Animation: Lotte Reiniger - Mitarbeit: Carl Koch, Arthur Neher - Produktion: Lotte Reiniger Film - Literaturvorlage: The Mohock and the Unicorn von E. W. White - Musik: Kompositionen von Gibbons, Hänsel und Pepusch, arrangiert von Peter Gellhorn - 16 Min. (Originalversion von 1934) - 10 Min. Primrose-Version von 1953), s/w
Die von Primrose in den 50er Jahren in Umlauf gebrachte Version unterscheidet sich deutlich von der deutschen Originalversion der 30er Jahre: Die Tonspur wurde vollkommen neu konzipiert. Freddie Phillips, der Hauskomponist von Primrose, stellte atmosphärische Musik zusammen und der relativ komplizierte Handlungsablauf des Films wurde von einem Sprecher bildunterstützend geschildert. Auch einige Sound Effects, wie z.B. Straßenschreier oder auch Kampfgeräusche, wurden zusätzlich in die Tonmischung aufgenommen. Grundsätzlich ergaben sich einige Ungereimtheiten durch die Umwandlung eines Musikfilms, der die Handlung mit Libretti stützte, in einen relativ didaktischen Sprecherfilm mit Hintergrundmusik: Der (Verlegenheits-) Tanz des kleinen Schornsteinfegers, in der 1934er-Version unterstützt von seinem Lied, mutiert zu einem kuriosen Freudenausbruch ob der reichen Ausstattung des Haushaltes, in den er hineingestürzt ist.
Merkliche Kürzungen der 50er-Jahre-Version betreffen nicht nur die berühmte Opernszene, sondern auch die Umwerbung der Heldin durch den Gangster Mohock, den Primrose zu einem "wicked Nobelman" umtitulierte. Dessen Liebestollheit, die Ursache der Entführung, findet in der Originalversion in einer leidenschaftlichen Arie zu Füßen der gefangenen Belinde Ausdruck. In der gekürzten Primrose-Version, die möglicherweise als kinderfreundlichere Variante für einen Fernsehvertrieb zusammengestellt wurde, ändert sich dieses "Triebverbrechen" in eine finanziell motivierte Entführung.
Die Uraufführung des Filmes fand in London im Februar 1936 statt, im November 1935 hatte Reiniger ihre Berliner Produktionsstätte aufgelöst und in London weiter gearbeitet.